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Die Kunst, Risiko zu verstehen: Wie Gründer und Anwälte Innovation gemeinsam ermöglichen

Updated: Oct 9

Die Zusammenarbeit zwischen Gründern und Anwälten ist eine jener dynamischen Konstellationen, in denen sich zwei Welten begegnen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der einen Seite der Unternehmer, getrieben von Ideen, Tempo und der Überzeugung, dass Grenzen nur existieren, um sie zu verschieben. Auf der anderen Seite der Anwalt, geschult darin, Risiken zu erkennen, Gefahren zu minimieren und den rechtlichen Rahmen zu schützen, in dem sich ein Unternehmen bewegt. Diese beiden Perspektiven treffen im Alltag von Startups mit bemerkenswerter Wucht aufeinander.


Die Gründerwelt lebt vom Machen. Sie ist geprägt von Prototypen, Experimenten und dem Grundsatz, dass Geschwindigkeit oft über Erfolg oder Misserfolg entscheidet. In dieser Logik ist Stillstand das eigentliche Risiko. Anwälte hingegen sind darauf trainiert, das Gegenteil zu tun: sie sollen vorsichtig vorgehen, prüfen, absichern. Was der Gründer als Innovationsdruck empfindet, erscheint dem Juristen als fahrlässiges Vorgehen. Wenn also ein Anwalt den Kopf schüttelt, weil ein Unternehmen ohne rechtlich saubere Struktur am Markt operiert, und der Gründer genervt reagiert, weil er in jeder juristischen Frage einen Hemmschuh sieht, dann ist das kein persönlicher Konflikt, sondern eine systemische Reibung.


Diese Reibung entsteht, weil beide Seiten aus völlig unterschiedlichen Perspektiven auf dasselbe Phänomen blicken. Der Unternehmer will Möglichkeitsräume ausloten, der Anwalt will Grenzen abstecken. Der Unternehmer denkt in Chancen, der Anwalt in Konsequenzen. Der eine fragt sich, wie weit er gehen kann, der andere, was passiert, wenn er zu weit geht. Und genau zwischen diesen beiden Polen entsteht ein Spannungsfeld, das für die Entwicklung junger Unternehmen zentral ist.


In der Praxis zeigt sich diese Spannung in zahlreichen Situationen. Ein Gründer möchte ein Produkt testen, bevor alle regulatorischen Fragen geklärt sind. Er will Feedback, Reichweite, Sichtbarkeit. Der Anwalt reagiert skeptisch, weil er weiss, dass ein solcher Schritt im schlimmsten Fall rechtliche Folgen nach sich ziehen kann. Aus Sicht des Gründers ist das Risiko vertretbar, aus Sicht des Juristen ist es nicht kalkulierbar. Wenn beide Seiten nicht dieselbe Sprache sprechen, entstehen Missverständnisse, Frustration und der Eindruck, die jeweils andere Seite verstehe das Geschäft nicht.


Doch genau an dieser Stelle liegt das Potenzial für eine produktive Zusammenarbeit. Gute Anwälte sind keine Verhinderer. Sie sind Übersetzer zwischen Recht und Unternehmertum. Sie zeigen nicht nur auf, was verboten ist, sondern erläutern, warum es ein Problem gibt und welche Konsequenzen ein bestimmtes Handeln haben kann. Entscheidend ist nicht das Nein, sondern das Verständnis für das Warum. Nur wenn der Unternehmer versteht, welche Risiken mit einem bestimmten Vorgehen verbunden sind, kann er eine bewusste Entscheidung treffen. Rechtliche Beratung wird so zu einem Instrument der Entscheidungsfindung, nicht zu einer Blockade.


In der Schweizer Startup-Landschaft, die sich durch hohe Regulierungsdichte, föderale Strukturen und branchenspezifische Aufsichten auszeichnet, ist diese Form der Zusammenarbeit besonders relevant. Ob im Fintech-Bereich, in der Medtech-Industrie oder bei datengetriebenen Geschäftsmodellen – die Frage, wie weit man gehen darf, ist selten eindeutig zu beantworten. Viele rechtliche Grauzonen werden erst durch unternehmerisches Handeln sichtbar. Anwälte, die diese Unsicherheiten einordnen können, ohne sie reflexartig zu verbieten, schaffen echten Mehrwert. Sie helfen, Risiken zu definieren, statt sie zu verdrängen.


Für Gründer wiederum bedeutet diese Haltung, dass Recht nicht als Hindernis, sondern als Teil des Spielfelds verstanden wird. Wer die Regeln kennt, kann strategisch mit ihnen umgehen. Wer weiss, welche Konsequenzen drohen, kann kalkulierte Risiken eingehen. Diese Denkweise unterscheidet reife Unternehmen von solchen, die von einer guten Idee, aber mangelnder Struktur getrieben sind. Die juristische Begleitung wird damit zu einem unternehmerischen Werkzeug, nicht zu einem Fremdkörper.


Die Schnittstelle zwischen Gründern und Anwälten ist deshalb weit mehr als ein organisatorisches Erfordernis. Sie ist ein kultureller Kontaktpunkt zwischen zwei Logiken, die sich gegenseitig brauchen. Ohne juristische Klarheit verliert ein Startup an Stabilität und Glaubwürdigkeit. Ohne unternehmerische Risikobereitschaft verliert das Recht seine Relevanz für Innovation. Die Kunst liegt darin, diese Gegensätze nicht aufzulösen, sondern produktiv zu halten.


Denn die Zukunft entsteht dort, wo Risiko und Regelwerk sich nicht ausschliessen, sondern gegenseitig definieren. Der Gründer muss wissen, was er tut, der Anwalt muss verstehen, warum er es tut. Erst wenn beide Perspektiven zusammenfinden, entsteht ein Raum, in dem Innovation rechtlich tragfähig und rechtliche Strenge innovativ gedacht werden kann.


ree

 
 
 

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