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Einzelunterschrift ist nicht gleich Einzelentscheidung

Die Einzelunterschrift in der Schweizer Aktiengesellschaft gehört zu den am häufigsten missverstandenen Begriffen im gesellschaftsrechtlichen Alltag. Viele Gründerinnen und Gründer nehmen an, dass eine Person mit Einzelunterschrift auch alleine entscheiden darf. Dieses Missverständnis hält sich hartnäckig, obwohl die rechtlichen Grundlagen eine klare Trennung zwischen interner Entscheidungsbefugnis und externer Vertretungsmacht vorsehen. Gerade im Umfeld junger Unternehmen, in dem Rollen flexibel sind und Entscheidungen oft rasch gefällt werden müssen, wirkt sich diese Unterscheidung direkt auf die Governance und auf die Zusammenarbeit zwischen Gründern, Verwaltungsrat und Investoren aus. Ein genauer Blick auf das schweizerische Recht und die Praxis im Startup Ökosystem zeigt, weshalb die Einzelunterschrift ausschliesslich das Aussenverhältnis betrifft und keine Aussage über die internen Zuständigkeiten macht.


Hauptteil

Die Schweizer Aktiengesellschaft verfügt über eine klare Kompetenzordnung. Der Verwaltungsrat bildet die oberste Entscheidungsinstanz. Er legt die strategische Ausrichtung fest, bestellt die Geschäftsleitung und überwacht deren Tätigkeit. Darauf aufbauend bestimmt die interne Organisation, welche Personen in welchem Umfang Entscheidungen treffen dürfen. Diese Ordnung ergibt sich aus Statuten, Organisationsreglementen und Beschlüssen des Verwaltungsrats. Die Zeichnungsberechtigung steht daneben als separates Element. Sie definiert allein, wer die Gesellschaft gegenüber Dritten rechtsgültig vertreten kann. Die Einzelunterschrift bedeutet somit nur, dass eine Person Dokumente alleine unterzeichnen darf, nicht aber dass sie die Entscheidung eigenständig treffen darf.


Im Alltag eines jungen Unternehmens zeigt sich diese Differenz besonders deutlich. Startups arbeiten häufig unter hohem Zeitdruck, mit schlanken Strukturen und sich rasch verändernden Verantwortlichkeiten. Eine Gründerin oder ein Gründer kann zwar mit Einzelunterschrift einen Vertrag signieren. Der Entscheid über dessen Abschluss muss jedoch den internen Vorgaben entsprechen, etwa wenn ein Organisationsreglement eine vorgängige Zustimmung durch ein Gremium verlangt. Je dynamischer das Umfeld, desto grösser wird die Bedeutung schriftlich festgelegter interner Prozesse, um klare Zuständigkeiten zu sichern.


Von zentraler Bedeutung ist, dass Verstösse gegen interne Vorgaben im Aussenverhältnis in vielen Fällen keine Auswirkungen auf die Gültigkeit eines Geschäfts haben. Wenn eine Person im Handelsregister als einzelzeichnungsberechtigt eingetragen ist, darf ein externer Vertragspartner darauf vertrauen, dass die Gesellschaft durch diese Person gültig vertreten wird. Eine fehlende interne Genehmigung macht den Vertrag im Regelfall nicht unwirksam. Die Folgen betreffen vielmehr die handelnde Person selbst. Sie kann gegenüber der Gesellschaft haftbar werden, wenn durch die Kompetenzüberschreitung ein Schaden entsteht. Dies reicht von Schadenersatzforderungen über disziplinarische Massnahmen bis hin zu personellen Konsequenzen wie dem Entzug von Funktionen oder der Abberufung. Für Dritte bleibt das Geschäft jedoch gültig, solange die Vertretungsmacht nach aussen korrekt ausgewiesen war. Damit entsteht eine klare asymmetrische Wirkung. Intern liegt die Verantwortung bei der unterzeichnenden Person, extern bleibt die Bindungswirkung für die Gesellschaft bestehen.


Diese Trennung erklärt, weshalb Investoren und Verwaltungsräte besonderen Wert auf eine sorgfältige Governance legen. Je klarer definiert ist, wer welche Entscheidungen trifft und wie Zustimmungsvorgänge ausgestaltet sind, desto geringer ist das Risiko interner Pflichtverletzungen. Die Einzelunterschrift eignet sich für alltägliche Geschäfte, etwa für Standardverträge oder administrative Vorgänge. Für Transaktionen mit strategischer Tragweite bleibt die kollektive Entscheidungsfindung zentral. Viele Startups arbeiten daher mit finanziellen Schwellenwerten, ab denen Verträge oder Verpflichtungen vor dem Abschluss genehmigt werden müssen. Die Zeichnungsberechtigung dient dann lediglich dazu, einen intern gefällten Entscheid formal umzusetzen.


International betrachtet bietet die Schweizer Regelung eine bemerkenswerte Flexibilität. Zwar führt diese Flexibilität zu einer effizienten Handhabung im Alltag, doch gerade im Austausch mit internationalen Investoren kommt es immer wieder zu Missverständnissen. In mehreren EU Ländern sind Entscheidungs und Vertretungsstrukturen enger miteinander verzahnt. Dadurch wird dort die Annahme begünstigt, dass eine Einzelunterschrift auch eine umfassende Entscheidungsvollmacht beinhaltet. Schweizer Startups müssen daher häufig erläutern, dass interne Entscheidungsprozesse vom Verwaltungsrat bestimmt werden und dass die externe Vertretungsbefugnis lediglich die praktische Umsetzung eines bereits gefällten Entscheids darstellt.


Ein weiterer Aspekt betrifft die interne Nachvollziehbarkeit. Während in frühen Phasen Entscheidungen oft mündlich getroffen werden, nehmen mit wachsender Komplexität und mit Investoreneinstieg die Anforderungen zu. Dokumentierte Beschlüsse, interne Protokolle und klar geregelte Zuständigkeiten sind später entscheidend für Due Diligences, für regulatorische Anforderungen oder für die Vorbereitung eines Exits. Die Einzelunterschrift mag nach aussen Klarheit signalisieren, doch intern bleibt die Pflicht bestehen, Entscheidungswege transparent zu halten und sicherzustellen, dass Entscheidungen auf der richtigen Ebene getroffen wurden.


Auch kulturell wirkt die Einzelunterschrift in jungen Teams. Vertrauen, Einfluss und Zeichnungsbefugnisse werden oft miteinander gleichgesetzt. Das führt zu Spannungen, wenn neue Führungskräfte hinzukommen oder wenn Investoren Einsitz im Verwaltungsrat nehmen. Die rechtliche Realität zeichnet jedoch ein anderes Bild. Entscheidungsbefugnisse entstehen aus der internen Ordnung und nicht aus dem Handelsregistereintrag. Die Einzelunterschrift setzt lediglich um, was intern beschlossen wurde. Für ein wachsendes Startup schafft dieses Verständnis die Grundlage für eine stabile Governance, die sich flexibel weiterentwickeln kann.


Schlussgedanke

Die Einzelunterschrift beschreibt die Fähigkeit einer Person, die Gesellschaft gegenüber Dritten alleine zu vertreten. Sie sagt nichts darüber aus, wer intern Entscheidungen trifft. Gerade im Schweizer Startup Ökosystem, das von hoher Geschwindigkeit, geteilter Verantwortung und komplexen Finanzierungsprozessen geprägt ist, bleibt dieses Verständnis zentral. Es schafft Klarheit in den Rollen, schützt die interne Entscheidungsstruktur und verhindert Missverständnisse im Umgang mit externen Partnern. Die Trennung von Entscheidung und Unterzeichnung bildet damit einen wesentlichen Bestandteil einer stabilen und transparenten Unternehmensführung.


ree

 
 
 

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