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GV-Einladung bereits verschickt: Darf der Antrag noch geändert werden?

Die Einladung zur Generalversammlung ist verschickt, die Traktandenliste steht. Doch kurz darauf ändern sich die Umstände. Darf der Verwaltungsrat seinen Antrag zu einem Traktandum dennoch anpassen? Die Antwort lautet: Ja, das ist grundsätzlich zulässig, wenn gewisse Voraussetzungen erfüllt sind. Dieser Beitrag erläutert, in welchen Fällen eine solche Änderung möglich ist, worauf geachtet werden muss und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben können. Zudem zeigt er auf, welche Lehren Verwaltungsräte für die Praxis daraus ziehen sollten.


Anträge dürfen nachträglich angepasst werden

Gemäss Artikel 700 Absatz 4 Obligationenrecht können Anträge auch nach Versand der Einladung noch geändert werden, sofern sie sich innerhalb des Rahmens des angekündigten Traktandums bewegen. Der Verwaltungsrat hat damit einen gewissen Handlungsspielraum, um auf neue Entwicklungen zu reagieren und seinen Antrag zu präzisieren oder anzupassen. Dies kann sowohl inhaltliche Änderungen betreffen, etwa leicht angepasste Zahlenwerte, als auch erläuternde Ergänzungen oder eine geänderte Begründung des Antrags.


Voraussetzungen: Einheit der Materie wahren

Entscheidend ist, dass der geänderte Antrag inhaltlich weiterhin dem angekündigten Traktandum zugeordnet werden kann. Die sogenannte Einheit der Materie muss gewahrt bleiben. Grundlage für die Beurteilung ist das Vertrauensprinzip: Ein durchschnittlicher Aktionär muss nachvollziehen können, dass es sich trotz der Änderung um denselben Beschlussgegenstand handelt. Leichte Anpassungen, etwa eine Reduktion der vorgeschlagenen Kapitalbandbreite von plus/minus fünfzig Prozent auf plus/minus vierzig Prozent, gelten als zulässig. Eine grundlegende Änderung, die den Charakter des Traktandums verändert, würde hingegen den Rahmen sprengen.


Konsequenzen: Anfechtbarkeit oder sogar Nichtigkeit

Wird ein Antrag in einer Weise geändert, die über den zulässigen Rahmen hinausgeht, drohen rechtliche Konsequenzen. Der entsprechende Beschluss kann angefochten werden, gestützt auf Artikel 706 Obligationenrecht. In besonders schwerwiegenden Fällen, etwa bei einer Verletzung zwingender Aktionärsrechte, ist auch Nichtigkeit denkbar. Diese wäre dann gegeben, wenn der Beschluss offensichtlich gegen grundlegende Vorschriften verstösst. Praktisch bedeutsam ist zudem, dass bereits erteilte Stimmrechtsweisungen durch eine wesentliche Änderung des Antrags ihre Gültigkeit verlieren können. In solchen Fällen sollten die Aktionäre vorgängig über die Änderungen informiert und wenn möglich neue Weisungen eingeholt werden.


Lehre für die Praxis

Der Verwaltungsrat hat das Recht, Anträge auch kurzfristig zu modifizieren. Er trägt dabei jedoch die Verantwortung, die formellen Anforderungen einzuhalten und die Aktionäre transparent zu informieren. In der Praxis bedeutet das: Der vorhandene Spielraum soll mit Augenmass genutzt werden. Änderungen sind sorgfältig zu dokumentieren und nachvollziehbar zu begründen. Wo immer möglich, sollten sie den Aktionären vor der Versammlung kommuniziert werden. Bestehen Zweifel, ob eine Änderung noch im Rahmen des ursprünglichen Traktandums liegt, ist im Interesse der Rechtssicherheit allenfalls eine neue Einladung zu prüfen.


Ein transparenter und rechtssicherer Umgang mit kurzfristigen Antragänderungen stärkt das Vertrauen der Aktionäre und verhindert unnötige Anfechtungen. Wer die formellen Spielregeln kennt und einhält, schafft den notwendigen Raum für Flexibilität, ohne die Gültigkeit der Generalversammlungsbeschlüsse zu gefährden.



 
 
 

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