Mitarbeiterbeteiligungen: Warum das Agreement erst der Anfang ist
- Tobias Fuchs
- Oct 20
- 4 min read
In vielen Schweizer Startups gilt ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm als Zeichen fortgeschrittener Professionalität und unternehmerischer Reife. Besonders in Phasen schnellen Wachstums taucht früher oder später die Frage auf, ob man ein sogenanntes Phantom Share Agreement oder ein Beteiligungsprogramm aufsetzen soll. Häufig steht dabei die Suche nach dem richtigen Vertragsdokument im Vordergrund. Doch die Vorstellung, dass mit der Unterschrift auf einem Agreement die Arbeit erledigt sei, greift zu kurz. In Wirklichkeit beginnt mit dem Abschluss des Programms erst die eigentliche operative und administrative Arbeit.
Die Einführung eines Mitarbeiterbeteiligungsprogramms ist kein rein juristischer oder administrativer Akt, sondern ein laufender Prozess, der tief in die Unternehmensstruktur eingreift. Bereits vor der Implementierung braucht es Beschlüsse des Verwaltungsrats, um das Programm überhaupt rechtswirksam einzuführen. Diese Beschlüsse legen fest, in welchem Umfang Anteile oder Optionen zugeteilt werden können und auf welcher Basis die Berechtigten ausgewählt werden. Ohne diese formellen Grundlagen bleibt jedes Agreement ein Stück Papier ohne rechtliche Wirkung.
Nach der Einführung folgt die Zuteilung der Beteiligungen an einzelne Mitarbeitende. Dabei geht es nicht nur um die korrekte Dokumentation, sondern auch um die Einhaltung der definierten Vesting-Perioden. Das heisst, die schrittweise Übertragung von Rechten über mehrere Jahre hinweg muss präzise nachverfolgt und regelmässig überprüft werden. In vielen Startups geschieht dies nicht automatisch. Fehlende Kontrollen führen später zu Unklarheiten über Eigentumsrechte oder steuerliche Pflichten. Der administrative Aufwand ist beträchtlich, insbesondere dann, wenn mehrere Finanzierungsrunden stattgefunden haben oder Teammitglieder das Unternehmen verlassen.
Ein oft unterschätzter Teil betrifft die steuerliche Behandlung. Mitarbeiterbeteiligungen haben in der Schweiz klare steuerrechtliche Konsequenzen. Sie müssen im Lohn deklariert und im Lohnausweis jährlich bescheinigt werden. Für die Steuererklärung der Mitarbeitenden ist die Angabe des Steuerwerts der Beteiligung relevant, der wiederum korrekt berechnet und dokumentiert werden muss. Je nach Kanton empfiehlt sich zudem ein Steuerruling, um die Bewertung und steuerliche Behandlung verbindlich festzulegen. Ohne diese Vorabklärung besteht das Risiko, dass spätere Steuerprüfungen zu Nachforderungen führen.
Auch die Schnittstellen zur Buchhaltung und zum Aktienbuch sind zentral. Jede Zuteilung, jede Veränderung des Bestands und jede Ausübung von Optionen muss nachvollziehbar geführt werden. Das gilt nicht nur für den rechtlichen Nachweis, sondern auch für Transparenz gegenüber Investoren, Prüfern und Behörden. Besonders bei Phantom Share Programmen, die keine echten Aktienzuteilungen vorsehen, sondern virtuelle Beteiligungen mit Barausgleich, entsteht zusätzlicher Aufwand in der Abgrenzung zu tatsächlichen Kapitalbewegungen. Die korrekte und konsistente Dokumentation wird damit zu einem laufenden Prozess, der das Unternehmen über Jahre begleitet.
In der Praxis zeigt sich, dass viele Startups den Aufwand erst erkennen, wenn die ersten administrativen oder steuerlichen Fragen auftauchen. Die Annahme, dass der Abschluss des Agreements den Vorgang abschliesst, erweist sich dann als Irrtum. Die Unterschrift ist nicht der Endpunkt, sondern der Startpunkt eines Systems, das jährlich gepflegt, überprüft und aktualisiert werden muss. Jedes Vesting-Event, jede neue Finanzierungsrunde und jede Änderung im Team hat unmittelbare Auswirkungen auf das Beteiligungsprogramm und seine rechtlichen, steuerlichen und finanziellen Komponenten.
Diese Komplexität führt dazu, dass ein Mitarbeiterbeteiligungsprogramm weit mehr als ein Anreizsystem ist. Es spiegelt die Professionalität der Unternehmensführung wider und zeigt, in welchem Mass Governance, Transparenz und Compliance bereits verankert sind. Für Investoren kann ein sauber geführtes Programm ein Indikator für die Reife des Unternehmens sein. Für Mitarbeitende wiederum schafft es Vertrauen, wenn sie sehen, dass ihre Beteiligungen strukturiert verwaltet werden und nicht im administrativen Chaos enden.
Der Kern liegt also nicht im Dokument selbst, sondern in der Organisation, die dahintersteht. Ein Phantom Share Agreement oder ein Beteiligungsplan ist nur das sichtbare Ergebnis einer Reihe von internen Prozessen, die koordiniert und regelmässig gepflegt werden müssen. Erst wenn diese Abläufe etabliert sind, erfüllt das Programm seinen eigentlichen Zweck: Mitarbeitende am langfristigen Erfolg zu beteiligen und gleichzeitig die Stabilität des Unternehmens zu sichern.
Der häufig gestellte Wunsch nach einem Mustervertrag oder einem fixen Programm verdeutlicht, wo in vielen Startups die Wahrnehmungslücke liegt. Das Dokument ist ein Anfang, kein Ende. Mit der Unterschrift beginnt die Verantwortung für eine dauerhafte und strukturierte Umsetzung. Die eigentliche Herausforderung liegt im laufenden Betrieb, nicht in der rechtlichen Formalität. Wer das erkennt, versteht den wahren Charakter eines Beteiligungsprogramms: Es ist ein lebendiger Bestandteil der Unternehmensführung, kein einmaliger Akt auf Papier.
Eine unvollständige Liste zum besseren Verständnis was ich meine wenn ich sage, das Agreement ist erst der Anfang....
Initiale Schritte (Einführung des Programms)
Entscheid über Ziel, Zweck und Zielgruppen des Programms
Erarbeitung und Verabschiedung der Plan Rules
Verwaltungsratsbeschluss zur Einführung und Poolfreigabe
Prüfung der Statuten und Investorenvereinbarungen
Definition der Bewertungsmethodik und Festlegung des Steuerwerts
Abstimmung mit Steuerbehörde, gegebenenfalls Steuerruling
Erstellung der Standarddokumente wie Grant Notice und Term Sheet
Aufbau von Cap Table, Aktienbuch und Tracking-Struktur
Festlegung von Rollen und Verantwortlichkeiten
Schulung und interne Kommunikation zur Einführung
Laufende Tätigkeiten (regelmässige Zyklen)
Monatliche Aktualisierung der Vesting-Register
Erfassung von Ein- und Austritten, Mutationen und Forfeitures
Synchronisierung von Cap Table, Aktienbuch oder Phantom-Share-Register
Abgleich von Payroll und geldwerten Vorteilen
Quartalsweise Zuteilungen neuer Grants und Verwaltungsratsbeschlüsse
Halbjährlicher Daten- und Systemreview
Jährliche Berechnung des Steuerwerts und Erstellung der Lohnausweise
Aktualisierung oder Einreichung des Steuerrulings
Jahresabschluss mit Audit-Vorbereitung und Reporting
Überprüfung und Anpassung des Beteiligungspools für das Folgejahr
Anlassbezogene Tätigkeiten
Anpassung nach Finanzierungsrunden oder Poolerweiterungen
Berechnung und Abwicklung von Forfeitures bei Austritten
Durchführung von Exercises oder Barauszahlungen bei Liquidity Events
Kommunikation steuerlicher Auswirkungen und rechtlicher Änderungen
Kernverantwortlichkeiten
Verwaltungsrat und Legal: Governance, Beschlüsse, Compliance
CFO: Finanzen, Steuern, Reporting
HR: Kommunikation, Datenpflege, Payroll-Koordination
Equity Administration: operative Führung des Programms und Dokumentation




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